Die Überschrift mag ein wenig flapsig sein, beschreibt es jedoch ganz gut: hier bekommt man Black-Metal in jedem seiner Subgenres in voller Breite geboten. Das schafft vermutlich kein anderes Festival. Drei Tage Folk-, Pagan-, Viking-, Epic-, Atmospheric-, Post-Black-Metal und was es sonst noch so gibt an Verästelungen zeigen eindrucksvoll die Bandbreite des Genres.
Endlich wieder Dark Troll, muss man sagen! Nach zwei Jahren Zwangspause durch die Pandemie wagen die Veranstalter vieler Festivals 2022 einen neuen Anlauf – sofern es sie noch gibt. Das Dark Troll jedenfalls hat die Durststrecke überlebt und natürlich strömen die Fans dieses besonderen Open Airs vom 26. bis 28. Mai wieder nach Bornstedt zur Schweinsburg. Hinauf geht es die (vermutlich vor allen von älteren Semestern) scherzhaft als Treppe des Todes bezeichneten 104 Stufen empor zur Burgruine. Das Festival ist aus zwei Gründen etwas Besonderes. Der erste liegt sichtbar auf der Hand: Die Location in dieser von Vereinen aus dem im Tal liegenden Dorf Bornstedt gepflegten Burgruine mitsamt fester Bühne und sonstiger für Zuschauer-Events notwendigen Infrastruktur ist ziemlich einmalig. Samt weitem Blick ins Tal. Hinzu kommt, dass das Dark Troll es bislang jedes Jahr erneut schafft, diverse Deutschlandpremieren von in unseren Gefilden bislang eher unbekannten Bands aus dem Folk-, Pagan- und Epic-Black-Metal-Bereich zu organisieren. Man wird nie enttäuscht, es gibt keine langweiligen Line-Ups von schon zigmal gesehene Bands. Im Gegenteil: immer wieder Deutschlandpremieren oder selten spielende Bands zeigen die Breite der hier abgedeckten Genres.
Die Pipe-Band Barbarossa Pipes & Drums aus Sangerhausen ist drauf und dran, zur Tradition beim Dark Troll zu werden. Zum zweiten Mal in Folge eröffnen sie das Festival. Mit Anmoderation jedes Songs und einigen Dudelsack-Coverversionen bekannter Heavy-Metal-Songs erreichen sie schnell die Zuschauer. Immerhin wird der Dudelsack auch in einigen Folk-Metal-Bands verwendet und ist somit gar nicht so genrefremd.
Gleich die zweite Band Crom ist ein wenig untypisch für das Dark Troll, sind sie doch eher dem Epic-Metal verhaftet. Natürlich kommen sie trotzdem gut an und werden vom Publikum gefeiert. Übrigens spielen sie hier ihr erstes Konzert nach der Corona-Zwangspause und gleichzeitig ist es das 25-jährige Bandjubiläum.
Uprising, das Soloprojekt von Waldgeflüster-Mastermind „W“ ist das erste Beispiel für Bands mit nahezu exklusiven Shows nur auf dem Dark Troll. So oft wird man das Projekt woanders nicht zu sehen bekommen! Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass Black Metal auch bei Tageslicht funktioniert, dann wird er hier erbracht.
Mit den Schweizern von Cân Bardd gibt es auch gleich eine Deutschland-Premiere. Der keltisch angehauchte Atmospheric-Black-Metal der Band aus Genf erinnert an den Sound der Schotten von Saor, bietet aber genug Eigenständigkeit. Langgetragene Melodiebögen und Orchestrierung mit metal-untypischen Instrumenten lassen die Zuhörer in ferne Welten versinken.
Auch Nocte Obducta – obwohl schon Anfang der 90erjahre gegründet – spielten zum ersten Mal auf der Schweinsburg. Aus ihrem mittlerweile reichhaltigen Set von unter anderem zwölf Alben und diversen EP und Singles spielten sie vor allem Songs des letzten Albums von 2020 und auch einen vom kommenden Album. Die gezündeten Räucherstäbchen unterstützen die Black-Metal-Atmosphäre, sind aber nicht nötig, ihre Musik spricht für sich selbst.
Khors mussten leider ausfallen. Die ukrainische Band aus Charkiw kann leider wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine das Land nicht verlassen, da sich alle männlichen Bürger zwischen 16 und 60 als Reserve für die Armee bereithalten müssen. Hoffen wir, dass die Zeiten wieder besser werden und die Band in kommenden, friedlicheren Jahren auch wieder außerhalb ihres Heimatlandes auftreten kann. 2016, als sie zum ersten Mal ihren Black-Metal auf dem Dark Troll spielten und (soweit ich mich recht erinnere) damit auch ihren ersten Auftritt in Deutschland hatten, haben sie einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.
Wolfchant gehört zu den wenigen Bands, die schon öfter auf dem Dark Troll gespielt haben. Anders als bei den meisten Festivals gehört es nicht zum Konzept des Dark Trolls, alle paar Jahre wieder die gleichen Bands auftreten zu lassen. Das mag zwar eine sichere Bank für die meisten Veranstalter sein, die so die gleichen Fangruppen immer wieder locken, aber beim Dark Troll hat man ein anderes Konzept: immer wieder neue Bands, um die Bandbreite von Folk-, Pagan- und Black-Metal wirklich zeigen zu können. Natürlich spielt auch eine Rolle, dass man mit der begrenzten Fläche und Kartenanzahl von ca. 1.000 Stück sowieso keine superteuren Headliner einkaufen kann und dass Black-Metal zu größten Teilen ein eher randständiges Subgenre ist.
Zurück zu Wolfchant. Beide Sänger sind Rampensäue und bringen das Publikum so richtig in Schwung. Da ist es am Ende auch nicht so schlimm, dass eine Gitarrenspur vom Band kommen muss, weil ein Gitarrist leider kurz vor dem Auftritt ausgefallen ist.
Es folgt der Tagesheadliner. Die Norweger von Helheim können aus einer langen Bandgeschichte schöpfen. Aber zuerst werden einige Songs vom aktuellen Album gespielt, ehe die Bergener ganz am Schluss ein Medley aus alten Klassikern nachschieben. Sehr oft sind sie mit ihrem Viking-Metal nicht in Deutschland unterwegs, so dass auch hier das Dark Troll eine gute Möglichkeit für einen ihrer seltenen Auftritte hierzulande bietet.
Den ersten Tag beschließen Totenwache als letzte Band. Bei anderen Festivals spricht man vom Rausschmeißer, doch hier will sich natürlich keiner rausschmeißen lassen. Grantiger, roher Black-Metal ist doch genau das, wofür viele extra hergekommen sind!
Wer am ersten Abend vor lauter Freude darüber, dass das Dark Troll nach zwei Jahren Pause endlich wieder stattfindet, nicht zu viel gebechert hat, ist auch am zweiten Tag zur ersten Band fit. Statt Nordic Raid, die kurzfristig absagen mussten, springen Thjodrörir ein. Die Band aus Neumünster im hohen Norden Deutschlands haben vor zwei Jahren ihr Debütalbum veröffentlicht und geben das natürlich auch vor der gut gelaunten Menge zum Besten.
Boötes Void aus Würzburg eröffnen als erste klassische Black-Metal-Band des Tages den Reigen. Interessant der Name, der aus der Astronomie kommt und eine Region im Sternbild Bootes (Bärenhüter) bezeichnet, in der sich ungewöhnlich wenig Galaxien befinden, eine sogenannte Void (Leere). Doch zurück zum Thema. Optisch ist die noch junge Band schon stilsicher. Musikalisch aber auch. Aus ihrem bisherigen Schaffen (1 EP, 1 Album) bestreitet sie auch ihr Programm: Aufs Wesentliche reduzierter Black Metal mit einer ordentlichen Portion Hass. Dem Publikum gefällts.
Dark Seal aus Tschechien – auch diese Band eine Dark-Troll-Premiere. Aus zwölf Jahren und vier Alben gibt es genug Pagan-Metal-Stoff, um die Bühnenshow bis zum Rand zu füllen. Da die Band erst 2020 ein neues Album veröffentlicht hat, bestand der Großteil der Setlist natürlich aus Songs von diesem. Schließlich bot sich in der Pandemie kaum Gelegenheit, das Album live zu spielen – was nun endlich nachgeholt werden kann. Darauf kann man schon mal die Hörner heben.
Mit Äera wird es nun etwas ruhiger. Der Atmospheric –Black-Metal der erst seit wenigen Jahren bestehenden Band bedient den elegischen Sound mit langen Gitarrenpassagen, wie er für das Subgenre üblich ist. Zum Einstieg empfohlen: Der Titelsong Schein vom Debütalbum, der sehr schön zwischen ruhigen und aufwühlenden Passagen wechselt. Von ihren überlangen Songs lassen sich jedoch nur fünf in der Spielzeit unterbringen, dann muss der Staffelstab weitergegeben werden.
Vermilia nimmt ihn auf. Das Projekt der finnischen Sängerin ist dem gleichen Genre zuzuordnen. Nachdem es mit Thjodrörir immerhin schon eine Gitarristin und eine Bassistin auf die Bühne geschafft hatten, nun also erstmals eine Sängerin beim diesjährigen Dark Troll. Black Metal ist leider wie viele Genres verdammt männerlastig. Das Projekt Vermilia ist seit 2017 unterwegs, bislang gibt es zwei Alben und diverse Singles. Auch hier wieder ein beeindruckender Wechsel, diesmal zwischen Klargesang und Growling. Vom neuen Album wurde noch nichts gespielt, das kommt nämlich erst im September raus, da ist es wohl noch zu früh für Promotion. Aber Songs aus ihrem ersten Album Kätkyt und der EP Keskeneräisiä tarinoita sind ein mehr als akzeptabler Ersatz.
Nach Finnland geht es zu den britischen Inseln. Ruadh aus Schottland setzten die Fast-schon-Tradition des Dark Troll fort, auch immer mal wieder eine Band aus den keltischen Ländern Europas ins Lineup zu integrieren. Erinnert sei nur an ziemlich legendäre Auftritte von Saor 2019 oder Cnoc an Tursa 2016 auf dem Dark Troll. (Obwohl natürlich auch die Schweizer von Cân Bardd dieses musikalische Feld beackern.) Ruadh liefern jedenfalls zuverlässig ab und auch wenn die Songs eher ruhiger und getragener waren, war die Stimmung im Infield sehr gut.
Mit The Spirit war sozusagen ein quasi-Headliner auf der Bühne. Immerhin erreichte das letzte Album der Saarbrückener Black-Metaller recht hohe Chart-Positionen, was durchaus als ungewöhnlich gelten kann. Live wird das Duo von einem weiteren Gitarristen und einem Bassisten unterstützt. Auch die Zuschauer waren sehr zufrieden mit dem Auftritt der Band.
Zu den Headlinern des zweiten Tages, Månegarm, muss man nichts mehr sagen. Weswegen hier auch nichts mehr kommt. Nein, nur Spaß, natürlich kann ihre Show nicht unkommentiert bleiben. Månegarm haben schon 2017 die Burg abgerissen. (Seitdem ist sie ja auch Ruine. 😉 ) Und auch 2022 wurden die Erwartungen im dicht gefüllten Zuschauerbereich nicht enttäuscht. Die Schweden hatten einige Songs ihres neuen Albums im Gepäck und das war genau das, was die Menge hören wollte. Super Stimmung auf der Burg!
Die Österreicher von Ellende beendeten den zweiten Abend. Das war ein Auftritt für Kenner, schließlich hat die Band aus Graz schon mehrere auch international anerkannte Alben veröffentlicht. Perfekter Post-Black-Metal als Tagesabschluss.
Der letzte Tag wurde recht untypisch mit Baumbart begonnen. Ihre Musik soll ja Folk Metal sein, jedoch bringen sie diesen ausschließlich akustisch rüber. Das ist so die richtige Musik, die man gern in der Mittelaltertaverne als Untermalung haben möchte. Klasse, um in den Tag zu starten! Außerdem gabs eine Wall of Accoustic Guitars!
Syn Ze Șase Tri kommen nicht nur aus Rumänien, auch ihre Musik klingt genauso. Die dramatische Orgel, die die nächste Vampirattacke ankündigt, darf ebenso wenig fehlen wie die unheilvolle Violine. Dem Symphonic-Black-Metal der Band tat das keinen Abbruch. Wir wissen nun, dass es auch in Rumänien coole Black-Metal-Bands gibt.
Mit Mosaic war wieder ein wenig Lokalpatriotismus angesagt, die Band kommt aus dem benachbarten Thüringen. Erst vor wenigen Wochen haben sie ihr neuestes Album Heimatspuk veröffentlicht. Überhaupt ist das Projekt seit ca. 2017 extrem aktiv, was verschiedene Veröffentlichungen angeht.
Die Südfranzosen von Belore entführen die Besucher nun in ihre Fantasiewelt, die sie seit zwei Alben ausgiebig mittels Atmospheric-Black-Metal beackern. Wo auf den Alben viel Geflöte unterwegs ist, wirkt die Band live sehr viel druckvoller. Tolle Wall of Guitars, die den epischen Black-Metal von Belore sehr gut rüber bringt und Gänsehaut erzeugt. Auch das Infield sah das so und war gut gefüllt.
Einen Stimmungshöhepunkt erlebten Grimner. Während der Show der Folk-Metal-Band aus Schweden entstand nicht nur ein Moshpit, es wurden auch Crowdsurfer gesichtet. Auf dem kleinen Dark Troll wohl eine ziemlich einmalige Erfahrung. Die Show selbst zeigt einen guten Querschnitt aus ihren seit 2014 erschienenen drei Alben voller schwedischer Wikingersongs über alte Götter, Kampf und Trinkerei.
Es folgen die Post-Black-Metaller von Agrypnie. Die philosophisch angehauchten Hessen wählten für den Einstieg zwei Songs aus dem aktuellen Album Metamorphosis, um sich dann weiter in die Bandhistorie vorzuarbeiten. Weitere Songs des Sets aus den Alben Grenzgänger von 2018 und 16[485] von 2010 folgten.
Für Obscurity ist das Dark Troll jedes Mal ein Heimspiel. Es ist eine der ganz wenigen Bands, die hier schon häufiger zu Gast waren. Zuletzt 2016, 2018 und eben in diesem Jahr. Sänger Agalaz liefert, die Zuschauermenge eskaliert freudig. Moshpit und Wall of Death sind bei den Zuschauern ebenso Standards wie das geruderte Wikingerboot, fast wirkt es wie eine eingespielte Choreografie, die die Fans bei bestimmten Songs aufführen. Obscurity und die das Infield zahlreich füllende Zuschauermenge ziehen hier einfach eine Art Headliner-Show ab. Was zur Feier des 25-jährigen Bühnenjubiläums auch nicht nur angemessen, sondern geradezu geboten ist.
Und es wird noch besser. Es folgt der eigentliche Headliner des Abends: Empyrium. Man mag es kaum glauben, aber dies ist der erste Auftritt der Band bei einem Open Air Festival in Deutschland. Und das bei einer langen Bandgeschichte: 1994 von Tausendsassa Markus Stock gegründet und 12 Jahre später wieder beendet, gründete sich das Projekt 2010 neu. Markus Stock, gern auch unter dem Künstlernamen Ulf Theodor Schwadorf unterwegs, war immerhin schon beim letzten Dark Troll mit einem weiteren seiner Projekte, Sun of the Sleepless, auf der Burg und kannte die Location daher schon. In diesem Jahr gibt er mit seinem eher symphonisch angelegten Doom/Black-Metal-Projekt Empyrium einen ganz besonderen Auftritt. Und als letzte Band des Festivals bringen die Kanadier von Spectral Wound das Publikum noch einmal in Stimmung. Die Band dürfte in diesem Jahr den Preis für die weiteste Anreise gewonnen haben, Ihr Black-Metal bildete einen würdigen Abschluss dieses Festivals. Wir sehen uns im nächsten Jahr auf der Schweinsburg!
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Offizielle Seite, der Ticketverkauf für 2023 hat schon begonnen, die Plätze sind begrenzt!
(Alle Bilder © S. Bollmann)