Vixen im Universum Stuttgart am 21.10.2018

Damals wars, in den guten alten Tagen, als Hard Rock und Metal noch Mainstream waren und dementsprechende Videos auf den Musiksendern (gibts die überhaupt noch?) hoch und runter gespielt wurden und sozusagen zu den Lead-Genres gehörten. Da war die Welt für den Metalfan noch in Ordnung. Doch nur wenige Jahre später kam dann so komisches Zeug wie Grunge und danach Nu Metal auf. Und noch schlimmer: die Radiostationen malträtierten die Hörerohren auch noch mit Rap und Soulpop. In dieser lang vergangenen Zeit, in den Jahren, als diverse amerikanische Hair-Metal-Bands voller schlaksiger Herren in zu engen Spandex-Hosen und mit auf erstaunliche Weise hochtoupierten langen Haaren die Charts beherrschten, mischte eine Band mit, die es sich im Gegensatz zu diesen tatsächlich erlauben konnte, ebensolche Frisuren zu tragen, ohne außerhalb der inszenierten Video-Kunstwelt komplett albern zu wirken.

Janet Gardner (© S. Bollmann)

Die Rede ist von Vixen, einer reinen Frauen-Hard-Rock-Band. Eigentlich sogar DER Frauen-Hard-Rock-Band dieser Zeit. 1988 mit ihrem selbstbetitelten Debut aus dem Nichts in diverse Charts geschossen (darunter die US-Billboards, die UK-Charts und auch in Deutschland), begeisterten sie mit perfekt arrangierten, MTV-Heavy-Rotation-tauglichen  Mitsumm-Songs irgendwo zwischen Powerballaden und Party-Soundtrack, beherrschten ihre Instrumente dazu noch verdammt gut und sahen auf den Festivalbühnen dieser Welt auch noch umwerfend aus. Was sollte da noch schief gehen? Zwei Jahre später folgte das noch einen Tick rundere, zweite Album Rev It Up! Aus beiden Alben wurden jeweils drei Singles ausgekoppelt, die überwiegend auch höhere Chartpositionen erreichten. Erwähnt seien hier nur Edge of a Broken Heart, Cryin‘ und How Much Love.

Roxy Petrucci (© S. Bollmann)

Doch damit war die Erfolgsstory leider zu Ende. 1991 fegte der Grunge über die Radiostationen und Glam Metal war tot. Vixen selbst trennte sich dann auch, noch ehe ein drittes Album eingespielt werden konnte. Die Restmitglieder unternahmen  1998 ohne Gründerin, Mastermind und Lead Guitarist Jan Kuehnemund einen neuen Versuch, nahmen ein weiteres Album auf, das – stilistisch völlig anders gelagert – kein Erfolg wurde und lösten sich dann auf. In den Jahren danach gab es diverse Wiederbelebungsversuche. Jan Kuehnemund reanimierte Vixen 2001 mit eigener, neuer Besetzung und nahm ihrerseits 2007 ein weiteres, stilfremdes Album auf, das ebenfalls erfolglos blieb. 2013 wollten sich die vier Frauen wieder zusammenraufen und im alten Line-Up wieder auf Tour gehen, doch machte noch vor der Verkündung dieses Coups tragischerweise der Krebstod von Jan diesem Plan ein Ende. Der Rest um Sängerin Janet Gardner, Bassistin Share Ross und Drummerin Roxy Petrucci hielten jedoch an der Idee fest und engagierten eine neue Gitarristin. Und so tourt die Band, verstärkt durch Live-Keyboarder Tyson Leslie, seit 2014 wieder regelmäßig, allerdings vornehmlich durch die Staaten, gern in diversen Casinos (den Gästen muss ja Programm geboten werden) oder bei Hard-Rock-Festivals.

In Europa sind Vixen leider ein seltener Gast. Ein paar Clubauftritte hier und da, oder das Graspop Metal Meeting in diesem Jahr. Mehr ist nicht drin. Zum Glück veröffentlichte ihr aktuelles Label Rat Pak Records Anfang Juli dieses Jahres ein neues Album der Band. Wobei neu relativ ist. Denn bei ihren Shows seit 2014 spielt die Band fast ausschließlich Klassiker ihrer ersten beiden, erfolgreichen Alben. Eben die Musik, die die Fans hören wollen. Und um das Album zu bewerben, ist auch mal wieder eine Tour drin, die auch nach Europa führte. Unter anderem Madrid, Nottingham und eben nach Stuttgart.

Dark-Sky-Sänger Frank Breuninger (© S. Bollmann)

Der Club Universum wirkte im ersten Augenschein eher verdammt winzig. Was aber wohl vor allem an der niedrigen Deckenhöhe lag. Ansonsten war er dann doch ziemlich cool. Dass es mal keine hohe Halle war, in der die Band auftrat, kam der Soundqualität nur entgegen.  Als Vorband („Guests“) waren die alten Recken von Dark Sky engagiert, die immerhin sechs Songs Querbeet aus ihren bisherigen fünf Alben spielen durften und eine neue Tour ankündigten.

Danach war dann aber die Zeit für den Hauptact gekommen. Vixen enterten die Bühne, an den Drums wie immer Roxy Petrucci, am Bass Share Ross, Sängerin Janet Gardner und die Lead Guitar übernimmt seit ein paar Jahren die Bostonerin Britt Lightning. Man kann ja viel sagen über seit 30 Jahren immer dasselbe und so weiter – aber die vier haben wirklich Spaß an ihren Auftritten. Natürlich spielten sie auch in Stuttgart vor allem die Klassiker, die sie schon vor 30 Jahren spielten und die sie nun seit 2014 wieder auf ihren Konzerten performen. Aber das tun sie mit einer Art abgeklärter Freude, einer Mischung aus Rampensau und Professionalität, die die Zuschauer sofort mitnimmt. Schon beim Opener Rev It Up!, dem Titelsong ihres zweiten Albums feierten die Zuschauer mit. Es waren allerdings auch in der Mehrzahl alte Fans, die in den Club geströmt waren. Zwischen 200 und 300 Gäste füllten das Universum bis nach ganz hinten. Hier und da waren aber auch junge Gesichter zu sehen. Großartigerweise findet Vixen also auch heute noch junge Fans und bespielt nicht nur eine bierbäuchige Generation mit breitem Schiebedach und drei übriggebliebenen Zopfsträhnen.

Share Ross und Britt Lighning (© S. Bollmann)

Es folgten mit How Much Love die damals erste Single-Auskopplung vom zweiten Album und mit Cruisin‘ ein alter Tourklassiker, der schon in ihrer Erfolgsphase fester Bestandteil der Playlist war. Die ersten Reihen im Club standen schon völlig im Bann von Janet und lasen ihr von den Lippen. Natürlich nur, um lauthals mitzusingen. Es gab eine Menge textsicherer Fans, die das sicher schon seit damals drauf haben. Das vom ersten Album stammende Cruisin‘ ist wie das folgende Bad Reputation (aus Rev It Up!) leider nicht auf dem neuen Live-Album mit dem passenden Namen Live Fire enthalten. Gerade der zweite Song brachte wieder etwas härtere Gitarrenriffs in die Show. Dosierte Härte, die jedoch noch für den Massengeschmack akzeptabel ist, war ein Markenzeichen des Glam Metal. Vixen beherrschen das natürlich auch. Mit Cryin‘ folgte eine Ballade. Der Song war die erfolgreichste Single-Auskopplung der Band mit Platz 22 in den Billboard Hot 100 1989. Eine Zeit, in der man noch Singles veröffentlichte und Videos dazu drehte.

Janet Gardner (© S. Bollmann)

Only a Heartbeat Away setzte den Ausflug in softere Gefilde fort. Dann folgte (zumindest für mich) die Hymne schlechthin. I Want You to Rock Me perfomt Vixen seit ihren Touren in den späten 80ern spektakulär. Share am Bass, Janet für diesen Song mit Gitarre und Jan mit Lead-Gitarre bildeten einen taktsynchronen Wall of Guitars. Die ersten Takte von Roxys Schlagzeug erinnern noch an We Will Rock You, doch dann setzen die Gitarren mit einer ganz eigenen Melodie ein. Bei diesem Konzert musste für Janet allerdings der Mikro-Ständer ausreichen, ansonsten stimmte noch immer alles. Vermutlich war die Bühne hier einfach zu klein für drei Gitarren. Andererseits ist das auch das tolle an Clubkonzerten: Die Bands sind viel näher an den Fans, oftmals gibt es nicht einmal einen Fotograben, so dass unmittelbarer Kontakt möglich ist. So auch im Universum, wo Janet am Ende des Konzerts zur Freude der Fans die ersten Reihen abklatschen konnte. Seit einigen Jahren flechten Vixen in den Song noch Cover anderer Songs ein, so zum Beispiel gerne einige Passagen aus Perfect Stranger von Deep Purple. Mit der Band waren sie übrigens damalsTM einmal gemeinsam auf Tour. Höhepunkt des Songs ist für mich das Gitarrensolo, das Britt auch großartig durchzog.

Britt Lightning (© S. Bollmann)

Jetzt konnte es eigentlich nicht mehr besser werden. Doch es blieb weiterhin auf dem fantastischen Stimmungsniveau. Das rockige You Ought to Know by Now, das schon in früheren Zeiten gespielt, aber bis jetzt nie auf irgendeinem Album erschienen war, setzte nahtlos an und ließ die Fans in Extase zurück. Dann folgte Shares seit einigen Jahren übliches Solo, sie sang  und spielte den Ray-Charles-Klassiker I Don’t Need No Doctor in der Rhythm -and-Blues-Version von John Mayer und konnte dabei zeigen, was sie mit ihrem Bass alles so kann. Mit der Killer-Ballade Love is a Killer riss die Begeisterung bei den Fans nicht ab. Der Song wurde wie immer durch Janet dazu genutzt, an die 2013 gestorbene Jan zu erinnern.

Mit dem erstmals auf Live Fire veröffentlichten, rockigen Big Brother kam dann der einzige neue Song, der aber ebenso gut wie die bekannten aufgenommen wurde. Gefolgt von der Up-Tempo-Ballade Love Made Me (Vixen) und Streets in Paradise(Rev It Up!) mit ihren Mitsing-Refrains, neigte sich das Konzert seinem Ende zu. Zum Glück ließen sich die vier Füchsinnen nicht lange bitten und kehrten für zwei Zugaben (darunter endlich ihre erste Hitsingle Edge of a Broken Heart)  noch einmal auf die Bühne zurück, ehe sie sie endgültig verließen.

Share Ross und Britt Lightning (© S. Bollmann)

Insgesamt ein supertoller Abend, bei dem man traurig ist, dass er nach knapp 90 Minuten schon wieder vorbei ist. Wer weiß, ob und wann sie wieder einmal nach Deutschland zurückkehren?  Vixen sind professionell, spielfreudig, nah am Publikum und haben sichtlich noch immer Spaß daran, ihre Songs zu performen. Janets Stimme hat im Laufe der Jahre natürlich ein tieferes Timbre angenommen und ist etwas rauer geworden. Dazu noch ein bisschen Tremolo. Das alles macht ihre Rock-Röhre jedoch nur noch besser. Britt spielt ihr Instrument mit einer gewissen Mischung aus Akkuratesse und Rotzigkeit, bei der sowohl Zuschauen als auch Zuhören ein großes Vergnügen ist. Bassistin Share hat wie immer genaues Händchen für den Rhythmus und kann über eigene Soli hinaus auch ihre Stimme zeigen. Und über den besonderen Stil von Roxy am Schlagzeug muss man dem Fan sicher nicht mehr viel sagen: Hart, auf den Punkt, tolle Soli. Und auch wenn das bei Musik nicht im Mittelpunkt steht, alle drei Frauen aus der Erfolgsbesetzung Ende der 80er sehen auch heute mit Mitte fünfzig noch ganz schön tough aus. Da zahlt es sich wohl aus, dass sich Vixen anders als ihre männlichen Kollegen damals kein Rock’n’Roll-Leben voller Drugs und Alkohol gegönnt haben, sondern eine cleane Band ohne Skandälchen waren. Für manchen Fan mag auch etwas Wehmut beim Auftritt dabei gewesen sein. Immerhin entstammt jede Note der Musik aus den 80ern, die für viele Anwesende in der persönlichen Erinnerung mit einer Art Heiligenschein der Verklärung umkränzt sind, denn damals waren wir alle noch jung und knackig und uns gehörte die Welt. Also noch jünger als jetzt, meinte ich. 😉 Nur für einen Abend gehörte uns nun sogar das Universum, ehe es seine Türen öffnete und uns in die Nacht hinaus spie, zeitlose Melodien im Kopf.

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