Beim Metal Frenzy bebt die Altmark

Paragon beim Metal Frenzy 2018 (© Stefan Bollmann)

Wir erinnern uns. (Na gut, zumindest diejenigen, die dabei waren.) Im letzten Jahr gab es das nasseste Frenzy überhaupt, der Himmel öffnete seine Schleusen am ersten Tag zur dritten Band und schloss sie erst wieder am dritten und letzten Tag bei der vorletzten Band. Ob irgendwem da oben das letztjährige Line-Up nicht gefallen hatte? Wohl kaum, war es doch damals ein internationales Hammer-Aufgebot, das schon ab dem frühen Abend über alle drei Tage für mächtig Stimmung sorgte. In diesem Jahr hingegen wurde nicht nur grandioses Wetter bestellt, das Frenzy hat auch noch etwas anderes geschafft: Nämlich klarzustellen, dass auch mit einem größtenteils nationalen Line-Up eine bombige Metal-Party gefeiert werden kann.

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In den Vorjahren hieß es ja immer wieder, dass sich der Veranstalter mit den Festivalkosten etwas übernommen hätte – angesichts überschaubarer Besucherzahlen von irgendwas um die 2000 Leute war das wohl auch nicht auf Dauer so zu stemmen. Aber trotz Verzicht auf wahrscheinlich teure Hochkaräter aus ganz Europa hat man einfach etwas ganz cleveres getan. Nämlich stattdessen die Metal-Hochkaräter direkt aus Deutschland zu buchen. Bands, die teilweise seit Jahrzehnten in der Szene sind und dort einen ausgezeichneten Ruf genießen. Und das Konzept ging auf. Allein im Vorverkauf konnten mehrere hundert Karten mehr abgesetzt werden als im Vorjahr. Das gute Wetter mag ein Übriges dazu beigetragen haben, das sicherlich auch die Tagesgäste zahlreicher wurden als noch vor Jahresfrist. Bei Sonnenschein ist doch ein Open Air viel schöner. Dass 2018 mehr los sein würde, sah man auch schon bei der Anreise, als der Blick über den Camping Ground schweifte und kaum freie Flächen auf der Wiese zu sehen waren.

Luftbild vom Metal Frenzy 2018 (© Stefan Bollmann)

Donnerstag

Warpath (© Stefan Bollmann)

Am ersten Tag startete das Frenzy ohne große Umschweife mit straffem Geballer von Invoker. Die Deather aus Köthen belegten damit einen der Slots, die üblicherweise für regionale Bands reserviert sind. Mit nem Bier in der Hand, Sonne am Himmel und ordentlich Beschallung von der Bühne versprach es, ein schöner Nachmittag zu werden. Noch eine schippe Aggressivität drauf legten die Thrasher von Warpath aus Hamburg. Das erste Urgestein des Festivals. Die Band ist seit 1991 mit längeren Pausen aktiv. Sänger Dirk „Digger“ Weiss schleuderte mit Inbrunst seine Texte ins Publikum. Mit Stormwarrior war dann erst einmal Durchschnaufen angesagt. Die Viking/Power-Metaller kommen ebenfalls aus der Hamburger Szene und sind mit 20 Jahren Aktivität alte Hasen. Mit sechs Alben haben sie auch schon ordentlich Output produziert. Und wieder ein Wechsel im Genre.  Zeit für die Ziegenfans von Milking the Goatmachine und ihren Deathgrind. Doch „Only Goat can Judge me“ . Zuspruch durch die Zuschauer gabs genug. Schon bei den vorherigen Bands war das Infield für die frühe Zeit des Tages ganz gut gefüllt.

Holy Moses (© Stefan Bollmann)

Und wieder zurück zum Power Metal. Freedom Call aus Nürnberg sind auch schon seit 20 Jahren aktiv und beackern die Bühnen dieser Republik. Wenn man von einer Best-Of-Compilation absieht, hat die Band schon zehn Alben seitdem produziert. Bei der hymnischen Stimmungsmusik der gut gelaunten  Band rund um Sänger Chris Bay wurde vor der Bühne quasi mitgeschunkelt. Und schon wieder ein Klassiker. Obwohl man sich das Wort ja kaum in den Mund zu nehmen wagt. Holy Moses mit Frontfrau Sabina Classen. Die Band ist seit 1980 (mit Unterbrechung in den 90ern) aktiv und Sabina seit 1981 dabei. Auf der Bühne gibt’s wie eh und je die volle Power zum Thrash-Metal der Band. Da kommt Freude auf. Eine großartige Show!  Am Ende mit Girl-Power-Einlage, als von Sabina einfach mal alle greifbaren weiblichen Fans zum gemeinsamen Abfeiern auf die Bühne geholt werden.

Turisas (© Stefan Bollmann)

Mit den Finnen von Turisas geht’s zum ersten Mal auf diesem Festival ins Ausland. Passend zum Battle-Metal bieten sie eine optisch einmalige Show mit ihrer „Kriegsbemalung“ und ihrem großartigen Backdrop-Banner mitsamt mittelalterlicher Konstantinopel-Darstellung in gold und rot. Schließlich geht’s ja auch um Wiking-Züge zur Stadt am Goldenen Horn. Das Infield ist proppefoll. Zu Turisas hats dann wohl auch der letzte Dauercamper geschafft. Die Epik wischen Death Angel weg. Die Thrasher aus San Francisco haben zum Teil philippinische Wurzeln und leisteten schon in der goldenen Ära des Thrash in den 80ern mit ihren Alben bedeutende Beiträge zum Genre, indem sie Einflüsse aus Funk und Hardcore aufnahmen. Nach ihrer Reunion 2001 ließen sie es erst einmal ruhiger angehen, was die Innovationsfreude angeht. In ihrem letzten Album äußern sie sich kritisch zu den Bewegungen und Parteien, die überall auf der Welt seit einigen Jahren auf dem Vormarsch sind und die Gesellschaft spalten. Auch auf dem Frenzy sind viele Besucher der Meinung, hier etwas Besonderes geboten zu bekommen und befüllen das Infield weiterhin hartnäckig und ausdauernd. Abschluss des ersten Abends sind Get the Shot, eine junge Hardcore-Band aus Quebec City, die mit der üblichen Attitüde dieses Genres aufwartet. Ihr musikalisches und sonstiges Handwerk (wilde Sprünge) beherrschen sie jedenfalls gut.

Death Angel (© Stefan Bollmann)

Freitag

Headshot (© Stefan Bollmann)

Und weiter geht’s mit bestem Sonnenschein. Achso und auch mit Musik. Als sanfte Weckmusik der Partymeute dienen Dystopolis. Die Bremer Power/Heavy-Metaller sind auch schon immerhin seit 2010 aktiv und haben seitdem zwei Langrillen veröffentlicht. Mit der direkt darauf folgenden Band Headshot geht’s fast wie am Vortag mit Warpath: Plötzlich ordentlich Aggro auf der Bühne. Diesmal aber mit Frontfrau. Daniela Karrer (ex Uppercut) bringt ihren Frontpart mit so brachialer Stimmgewalt über die Bühne, dass einem fast die Hopfenkaltschale aus dem Becher kippt. Wer jetzt nicht aufwacht, ist einfach nur tot und darf meinetwegen liegen bleiben. Halleluja, das geht ab! Nachdem jetzt der letzte Dreck aus den Ohren gebröselt ist, übernehmen Dying Empire die Bühne, die noch junge Band aus Dresden spielt Melodic Death. Überhaupt war in dieser Festivalausgabe überraschend viel davon drin. Nicht das Schlechteste!

Dying Empire (© Stefan Bollmann)

Mit Obscurity als vierte Band übernimmt ein Schlachtschiff des deutschen Pagan-Metals das Ruder. Wobei das eigentlich das Stichwort wäre für das Ruderboot der Zuschauer beim allfälligen Naglfar. Doch leider sind diese zu spät und erst einige Stunden später in irgendeiner Bandpause entdecke ich ein paar hart rudernde Wiking-Metaller zwischen den anderen Zuschauern in einer Reihe am Boden sitzend. Sei’s drum, Obscurity verzückt die zahlreichen Fans auch so. Die darauf folgenden Thornafire haben dagegen einen äußerst schweren Stand. Wohl das erste Mal auf diesem Festival, dass das Infield bei der nachfolgenden Band leerer ist als vorher. Kaum ein Zuschauer will sich die Chilenen ansehen, die gerade auf Europa-Rundreise sind, aber leider Bassisten und Sänger nicht mit dabei haben. Zwar wird teilweise ausgeholfen, doch hat die Band wohl in Europa einfach noch keinen Namen, ihren blasphemischen Death-Metal müssen sie wohl trotz 20 Jahren Bandgeschichte und fünf Alben wohl noch öfter unters hiesige Volk bringen, ehe ihre südamerikanische Packung hier so richtig zündet.

Grave (© Stefan Bollmann)

Kontrastprogramm gibt’s nun mit dem Deutschrock der Kneipenterroristen. Ursprungsgitarrist Lars Ramke spielte übrigens einen Tag zuvor mit Stormwarrior, während der derzeitige Gitarrist Martin Christian einen Tag später noch mit Paragon auftreten wird. Und auch Sänger Jörn Rüter ist mit den Trash-Metallern von Torment und der Coverband Motörment recht gut ausgelastet. Für einen Auftritt beim Metal Frenzy hat es aber dann doch noch zum Glück gereicht. Mit Grave geht es wieder nach Skandinavien. Die Schweden ziehen routiniert ihre Show durch. Mit über 30 Jahren Bestandszeit sind die Mannen um Ola Lindgren noch immer mit viel Spaß bei der Sache und feuern ein Brett nach dem anderen aus ihren Saitenprügeln. Für die aus Krankheitsgründen kurzfristig ausgefallenen Venom Inc., die natürlich ein Klassiker in jeder Hinsicht sind, haben die Schweden von RAM einen schweren Stand. Die Göteborger spielen wohl eher die alte Göteborger Schule, sprich: recht klassischen Heavy Metal. Man fühlt sich ein wenig in die frühen 80er mit Bands wie Saxon und der NWoBHM zurückversetzt. Und das auf eine äußerst gekonnte Weise. RAM weiß, wie das geht!

J.B.O. (© Stefan Bollmann)

Es folgen J.B.O. Nun, die Franken kennt man wohl zur Genüge. Sie sind Vielspieler auf Festivals und genug Gassenhauer haben sie ja auch im Gepäck. Bei den meisten können viele mitsingen. Ihre Show ist dann auch wie immer gut durchchoreografiert und zieht die Menge an. Vor der Bühne ist es richtig voll. Nach anderthalb Stunden verabschieden sie sich und als Aufräumer tritt zur gleichen Zeit und zum gleichen Tag wie vor einem Jahr Gutalax aus Tschechien auf. Die Band spielt Grindcore und die Partymassen rasten aus. Klopapierrollen fliegen, Klobürsten werden gewedelt (manchmal sogar im Takt) und die Ganzkörper-Maleranzüge dürfen auch nicht fehlen. Die Graben-Security hat jede Menge zu tun, um die Stage-Diver von der Grabenkante zu pflücken. Mit wilden Party-Exzessen endet Tag zwei.

Fans bei Gutalax (© Stefan Bollmann)

Samstag

Blossom 6 (© Stefan Bollmann)

Und schon beginnt der letzte Tag des Frenzy 2018. Aber keine Sorge, die nächste Auflage für 2019 ist schon angekündigt. Mit Blossom 6 springt ein Lokalmatador in den Ring. Eine ansehnliche Fan-Schar ist auch schon vor der Bühne zugegen. Und zwar nicht nur, um stumm herumzustehen. Da wird mitgemacht und gefeiert. Mit Eïs und ihrer Black-Doom-Mischung geht es dann etwas ruhiger und elegischer zu als bei Blossom 6 und ihrem schnellen Thrash-angehauchten Metal. Die Mannen um Sänger Alboin freuen sich über ein paar Fans in echter Black-Metal-Corpsepaint-Bemalung, auch wenn Eïs selbst eher ohne große optischen Firlefanz auftritt und ihre Musik für sich sprechen lässt. Nailed to Obscurity hab ich leider verpasst, aber dafür war eine Runde mit dem Flugzeug über das Festival dran. Luftbilder von Festivals sind ein tolles Motiv! Mit Minas Morgul Frankfurt/Oder geht es weiter in Richtung Pagan-Black-Metal. Die Band wird ja hin und wieder kontrovers diskutiert. Von einigen Rezensenten werden zu wenig Weiterentwicklung und zu simple Songs und Texte bemängelt. Aber egal, auf dem Metal Frenzy finden sie durchaus eine Menge Zuspruch.

Deserted Fear (© Stefan Bollmann)

Nun wird es wieder klassisch. Paragon stammen wie so einige auf diesem Festival aus Hamburg und spielen klassischen Metal. Nach 28 mittlerweile auch Jahren sind sie natürlich alte Hasen und lassen sich nicht die Butter vom Brot nehmen was Gesang, Spiel und Show betrifft. Direkt danach tritt mit Deserted Fear eine jüngere Band aus. Die vier aus Jena und Weimar prügeln mit Inbrunst und viel Spaß an der Sache, den man ihnen auch ansieht, ihr Deathbrett ins Publikum, das sich davon gerne anstecken lässt. Im Land der Weimarer Klassik spielen auch sie klassischen Death-Metal. Mit Debauchery kommt vor allem etwas fürs Auge. Irrwitzige Fantasykostüme und –masken bestimmen die Szene. Mit einem neuen Album fast in jedem Jahr haben die Kunstblutliebhaber und Warhammer-Fans einen unglaublich hohen Output. Wenn man noch bedenkt, dass Mastermind Thomas Gurrath noch zwei Seitenprojekte am Laufen hält, ist das noch bemerkenswerter. Vor der Bühne ist es mittlerweile natürlich voll geworden. Eine Debauchery-Show zu verpassen, wenn man sie schon sehen kann, halten viele Festivalbesucher für nicht akzeptabel. Und sei es nur, um die Bühnenoutfits zu bestaunen.

Debauchery (© Stefan Bollmann)

Mit Torfrock als nächster Band zieht dann eher norddeutsche Gemütlichkeit ein. Die Rocker spielen ein buntes Potpourrie ihrer größten Hits von „Volle Granate, Renate“ über den Boxersong („Haut mir doch bitte nicht mehr auf die Lippe“) und „Presslufthammer-B-B-Bernhard“ bis zu ihrem bekanntesten Hit „Beinhart“ aus dem ersten Werner-Film. Obwohl gar kein Metal, zieht Torfrock rund um Sänger Klaus Büchner doch jede Menge Publikum an. Torfrock dürfte wohl so eine Art kleinster gemeinsamer Nenner sein, auf den sich fast jeder einigen kann. Es folgen Eisregen. Die Dark-Metal-Band aus Thüringen ist nun das volle Gegenteil der schunkeligen Norddeutschen. Der radiotaugliche Rock weicht harten Metal-Riffs und die lustigen Texte werden von den für die Band üblichen ekligen Horror- und Foltergeschichten abgelöst. Abschluss des Abends und Headliner sind Lordi. Die Finne sind in Deutschland zwar erst wieder ab Oktober unterwegs, aber auf dem Metal Frenzy kann man sie schon jetzt sehen.  Natürlich kennt sie spätestens seit ihrem ESC-Sieg jeder, das war 2006 ein Riesen-Coup für die Band. Ihre Monster-Show  mit Einlagen fesselt wohl genauso viele Zuschauer wie ihre eigentliche Musik, ein traditioneller Hard Rock. Aber mal die dollen Latexkostüme der Zombies, Mumien und Dämonen zu sehen, ist ja auch ein Erlebnis. Auf dem Frenzy feiern sie Releaseparty für ihr neues Album Sexorcism und Auftakt der dazugehörigen Sextourcism, die sie durch Europa führen wird und sorgen für richtig gute Partystimmung zum Abschluss.

Lordi (© Stefan Bollmann)

Das diesjährige Metal Frenzy war wieder ein großes Fest. Fast schon Oldscool traditionell auf der Wiese, irgendwo ne Bühne, daneben ein Bierwagen und jede Menge Metal-Fans. Das Publikum ist auch ein anderes als auf den Riesen-Festivals wie Wacken oder Summer Breeze. Hier kommen nicht die Feierwütigen, die sich drei Tage lang die Kante geben und eine dumme Aktion nach der anderen starten. Hier sind eher die Metal-Fans, die bestimmte Bands sehen und hören wollen, die sich mit Gleichgesinnten treffen, sich mit Freunden verabreden und einfach mal ihre Lieblingsmucke in aller Ausführlichkeit live erleben möchten. Da wird auch mal gefachsimpelt oder sich mit ein paar Bandmitgliedern, die man hinterher am Bierstand trifft, gesprochen.  Hier bemerkt man auch noch, dass es sich um ein Metalfest von Fans für Fans handelt. Natürlich muss auch irgendwie Geld verdient werden, die ganze Sause kostet ja auch eine Menge. Aber reich wird hier wohl keiner.  Die Ordner und Helfer kommen teilweise als Freiwillige, um bei Auf- und Abbau und Durchführung zu helfen, die Graben-Security ist äußerst entspannt und doch in den entscheidenden Momenten, wenn die Crowdsurfer anbranden und schnell abgepflückt werden müssen, sofort auf Zack. Wer entspannt, unkompliziert und mit kurzen Wegen mal wieder den Metal feiern will, dem kann ich das Metal Frenzy nur empfehlen. Parken und Zelten kostenlos, Bade- und Dusch-Flatrate im direkt gegenüberliegenden Spaßbad Gardelegen für lächerliche 8 Euro – auf großen Festivals zahlt man 2 Euro für einmal duschen! Die nächste Ausgabe ist auch schon angekündigt: Vom 27. bis 29. Juni 2019 in Gardelegen! Das Datum sollte man sich im Kalender anstreichen.

Impression vom Metal Frenzy 2018 (© Stefan Bollmann)

Offizielle Seite: metal-frenzy.de
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