Feiern bei norddeutscher Luftfeuchte: Metal Frenzy Open Air 2017

Das Metal Frenzy lud mittlerweile zum vierten Mal in die Altmark nach Gardelegen und schickt sich langsam an, eine feste Größe im jährlichen Festivalkalender zu werden. Eigentlich hat das Metal Frenzy auch alles, was ein gutes Festival braucht: Ein großartiges Line-Up, einen Zeitplan, der eingehalten wird, einen großzügigen Campingground, ein gemütliches Infield, freundliche Security, kurze Schlangen an allen Bier- und Essensständen, eine Orga, die auf Zack ist, kein Schlamm trotz Regen. Achja, der Regen …

Also eigentlich gibt es keinen Grund, nicht nach Gardelegen zu fahren, um das Metal Frenzy zu genießen.

(cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Donnerstag

Asator aus Bremen eröffneten als erste Band das Festival bei schönstem Sonnenschein mit Black Metal und lockten erste Gäste aus dem Camping-Area ins Infield.

Bloodland (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Auch der gute alte Death Metal mit Bloodland aus dem südlichen Sachsen-Anhalt sorgte dafür, dass noch einige Zuschauer mehr den Weg ins Infield fanden. Vielleicht waren das auch diejenigen, die mit dem Zeltaufbau fertig geworden waren und mal schnuppern wollten, was gerade so an der Bühne geboten wurde.

Virtue Concept (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Mit den Regensburgern von Virtue Concept und ihrem Metalcore dann der erste Kontrast zum üblichen Metal. Das Metal-Frenzy versucht eben, sich ein wenig breiter aufzustellen und nicht nur die klassischen Richtungen (Thrash, Death und Black) zu bedienen. Im Laufe der drei Tage gabs daneben auch Power Metal, Folk Metal, Symphonic Metal, Grindcore und Neue Deutsche Härte. Eben für (fast) jeden etwas.

Visions of Atlantis (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Einen abgesagten Auftritt von 2015 auf dem Metal Frezy holten Visions of Atlantis in diesem Jahr nach. Wie so oft ist der Symphonic Metal, der von dieser und anderen Bands des Genres gespielt wird, nicht nur etwas für die Ohren, sondern auch fürs Auge, denn gerade Symphonic Metal ist meist gleichzeitig auch Female Fronted Metal. Bei Visions of Atlantis gibt es gleich zwei Leute ausschließlich am Mikro. Neben Sänger Siegfried Samer ist das auch noch die seit 2013 aktuelle Sängerin Clémentine Delauney. Beide schmetterten im Duett die Titel der österreichischen Band.

Illdisposed (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Mit den Death-Metallern Illdisposed aus Dänemark ging es dann wieder etwas erdiger zu. Sänger Bo Summer, bekannt für seine eher rustikale Interaktion mit dem Publikum, enttäuschte in dieser Hinsicht auch auf dem Metal Frenzy nicht, indem er wieder verschiedene mehr oder minder lustige Zwischenansagen beisteuerte. Musikalisch gibt’s an Illdisposed natürlich sowieso nichts zu mäkeln.

Heidevolk (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Heidevolk, wie immer spielfreudig, schafften es mühelos, die Zuschauermassen in Stimmung zu versetzen. Der eingängige Folk-Metal der Band ist so eine Art gemeinsamer Nenner, auf den sich die meisten Zuschauer verständigen können und der Auftritt war dementsprechend auch recht ordentlich besucht. Und dafür, dass zu dieser Zeit ein leichter Regen begann, der dann allerdings die nächsten beiden Tage noch anhielt, konnten sie höchstwahrscheinlich auch nichts.

Auch bei Rage ist man immer auf der sicheren Seite, die Power Metaller um Peavy Wagner wissen einfach, wie es geht und können das Publikum immer zum Mitfeiern bringen. Nach über 30 Jahren im Geschäft und einem Rucksack voller Klassiker ist das auch kein Wunder. Wir bewegen uns schnurstracks gen Höhepunkt des ersten Abends und leider galt das auch für den Regen an diesem Abend, der seinem eigenen Höhepunkt, was Nassheit und Dichte betraf, entgegen strebte.

Amorphis (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Die Vieltourer von Amorphis sind wieder einmal in Deutschland unterwegs und kurz gesagt konnten sie auch auf dem Metal Frenzy überzeugen. Seitdem Tomi Joutsen sich von seinen Rastas getrennt hat, wirkt er übrigens auch gleich viel metal-konformer. Sein charakteristisches Mikro, in das er die Texte so inbrünstig brüllt, hat er jedoch glücklicherweise behalten., die Band, seit 1990 bestehend und auf mittlerweile zwölf Longplayer zurückblickend, könnte mit ihrem Matetrial natürlich diverse Auftritte füllen. Sogar nach Stilen getrennt. Denn ähnlich wie zum Beispiel Lost Paradise haben sie einige nicht unerhebliche Stilwechsel im Laufe ihres Bestehens ausprobiert. Begann Amorphis noch als Death-Metal-Band (Tales from the Thousand Lakes dürfte mittlerweile ein moderner Klassiker sein), wandelten sie sich mit den Alben Tuonela, Am Universum und Far from the Sun eher zum Progressive Metal hin, um dann bei den naschfolgenden Alben in den letzten zehn Jahren wieder verstärkt zum Death Metal zurückzufinden.

Feiernde Fans (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Den begeisterten Fans war das alles auf dem Metal Frenzy egal. Schlimm für die meisten dürfte nur die lange Verspätung der Band gewesen sein. Was war passiert? Die Band konnte wegen den sintflutartigen Regenfällen in Berlin nicht in Tegel landen, wurde einstweilen nach Schönefeld umgeleitet, wo der Flieger dann wartete, bis er dann doch endlich nach Tegel durfte. Erst dort durften die Passagiere mit vier Stunden Verspätung aussteigen. Das hielt natürlich die Organisatoren auf Trab und den Zeitplan um gut eine Stunde auf. Letztendlich konnte den Melodic Death von Amorphis aber auch nicht das Wetter aufhalten. Das Publikum feierten Tomi und seine Jungs nahezu frenetisch und in großer Zahl trotz Regens, als sei es das letzte Konzert der Band.

Am Ende beschlossen Völkerball mit ihrer zweistündigen Rammstein-Tribute-Show samt jeder Menge Feuereffekten den ersten Festivaltag. Mit einer satten Spielzeit von zwei Stunden zeigten die auch als Heldmaschine (dann mit eigenen Songs) tourenden Musiker, dass sie Rammstein können.

Freitag

Damit war der Freitag gerettet! (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Der Freitag begann ganz gediegen mit Death Metal aus Thüringen. Nameless Desease trotzten dem ewigen Nieselregen, der sich mittlerweile in der ganzen Altmark breit gemacht hatte und schienen ihre eigene Fankurve mitgebracht zu haben. Es war im Rahmen der frühen Uhrzeit jedenfalls schon ordentlich Stimmung vor der Bühne.

Übrigens waren auf den Wegen und vor dem Bühnenbereich schnell einige Ballen Heu verteilt worden, die die Nässe der letzten Nacht aufsaugen sollten. Das klappte auch ganz gut, Matsch war nirgendwo zu sehen. Und ganz nebenbei eigneten sich die Heuhaufen auch hervorragend, um von einigen übermütigen Festivalbesuchern für Heuschlachten und anderen Schabernack benutzt zu werden. Da hatten einige mächtig Spaß!

Tempest (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Gleich als zweite Band folgte ein alter Lokalmatador: Tempest aus Schwalmke. Schwalmke-was? Na zwischen Celle, Gifhorn und Uelzen. Also quasi Nachbarschaft. Die altgedienten Haudegen spielten dann auch den ganz klassischen Heavy Metal ohne neumodische Spielchen oder Sub-Genre-Einordnungen.

In Demoni – Prost! (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Mit den Crushing Caspars folgten Nordlichter von der Mecklenburger Küste. Die Rostocker leiteten mit Hardcore-Punk einen ersten Stil-Wechsel am heutigen Tag ein. Auch wenn das Publikum ein wenig verhalten war – der Platz vorm Bühnengraben war trotzdem recht gut gefüllt zu dieser Stunde.

Auch In Demoni haten es bei ihrer Anreise nicht weit. Die Magdeburger spielten ihren Technical Brutal Death Metal routiniert und mit einem kleinen Beck’s zwischendurch gnadenlos herunter.

Macbeth (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Es folgte eine der wenigen Metal-Bands, die schon in der DDR gegründet wurden: Macbeth. Nach der Auflösung 1993 und ihrer Wiedergründung 2004 hat die Band mittlerweile drei Alben veröffentlicht und tourt auch regelmäßig, teilweise ist noch die Originalbesetzung dabei. Macbeth spielen wie Tempest oder Rage klassischen Heavy Metal. Auf dem Metal Frenzy waren sie auch schon 2015 dabei.

Evil Invaders (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

In meiner Aufzählung am Anfang des Artikels vergaß ich Speed Metal. Als eine der modernen Inkarnationen dieses alten Genres aus den 80ern zeigten die Evil Invaders, dass das auch heute noch Spaß macht, schnellen Thrash Metal – um nichts anderes handelt es sich hier – zu spielen. Auf der Bühne wie Wirbelwinde umher sprintend, ergab Ihr Auftritt irgendwie eine Art Gesamtkunstwerk aus Geschwindigkeit.

Die Polen von Vader sind ja auch schon ganz alte Hasen. Die Spielfreude ist den Death Metallern aber in all den Jahren seit ihrer Gründung in den 80ern noch nicht abhandengekommen.  Erst im letzten November brachten sie mit Empire ihr fünfzehntes Album heraus, mit dem sie in den letzten Monaten auf Europa-Tour gingen und auch auf diversen Festivals – wie dem Metal Frenzy – spielten.

Fleshgod Apocalypse (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Etwas recht Einzigartiges stellen die Italiener von Fleshgod Apocalypse dar. Mit ihrer Mischung aus Technical Death Metal und Symphonic Metal mit Opernanleihen besetzen sie sozusagen ihre eigene Genre-Nische. Frisch von ihrer Tour durch Neuseeland und Australien zurück war das Metal Frenzy die erste Show in Europa nach ihrem Ausflug in die südliche Hemisphäre und sie begeisterten ihr Publikum auch in Gardelegen!

Stratovarius (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Höhepunkt des zweiten Abends waren Stratovarius. Die Band, auch schon seit mehreren Jahrzehnten unterwegs, hat auch schon alle Höhen und Tiefen bis zur Fast-Auflösung durch. Aber das hielt die Mannen um Timo Kotipelto nicht davon ab, eine fantastische Show zu bieten. Zwar ist das letzte neue Material der finnischen Symphonic-Metaller auch schon wieder zwei Jahre alt – zwischendurch veröffentlichten sie nur ein Best Of-Album, was ihnen gegönnt sei nach so vielen Jahren – neuer Output wird also herbeigesehnt. Und im Übrigen sind Stratovarius in der Vergangenheit auch recht fleißig gewesen, was die Veröffentlichungsfrequenz neuer Scheiben angeht. Man kann also froher Hoffnung sein.

Gutalax-Fans (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Wer jetzt dachte, der Höhepunkt des Tages sei erreicht worden, ging fehl in dieser Annahme. Gutalax läuteten die eigentliche Party ein. Anders ist das tobende Publikum in Malerschutzanzügen mit Klobürsten wedelnd, nicht zu erklären. Der Grindcore der Tschechen brachte die Menge zum Kochen. Grunzen ist wohl einfach eine universelle Sprache.

Samstag

Und schon brach der dritte und letzte Tag an.

Mit Abort Once Around wurde der Tag mit Metalcore aus Halle eingeleitet. Vor allem der auf der Bühne unruhig umher rennende Sänger der Band blieb irgendwie im Gedächtnis. Ansonsten … eben Metalcore.

Sin Arrest (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Sin Arrest boten danach einen wilden Stilmix, der wohl am ehesten unter Alternative Metal oder einer Art Crossover einzuordnen ist. Die Band aus Gardelegen hatte natürlich ihre Fans aus der näheren Umgebung aktiviert, so dass schon recht gute Stimmung vor der Bühne herrschte. Angeheizt wurde dies noch durch Sänger Fabio Kramp, der den Graben vor der Bühne enterte und mit den Fans direkt Kontakt aufnahm.

Victorius (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Es folgten Victorius aus Leipzig. Mit ihrem Power Metal boten sie eine überzeugende Show. Das Quintett präsentierte dabei auch gleich seine neue Scheibe Heart of the Phoenix. Die Spielfreude der Band übertrug sich sofort aufs Publikum, das den Auftritt ordentlich feierte.

Etwas härter wurde es dann mit Firtan. Black Metal aus Lörrach. Die Band spielte diesmal in minimaler Dreierbesetzung ohne Bassisten. Wer die übliche Black-Metal-Symbolik samt Corpsepaint sucht, ist hier übrigens eher falsch.

Born from Pain (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Kontrastprogramm mit Born from Pain: Die Niederländer überzeugten mit Hardcore Punk und energiegeladener Show sicher auch Besucher, die ansonsten eher dem reinen Metal frönen. Wieder eine der Bands, bei denen die Spielfreude den Unterschied machte und das Publikum ansteckte.

Black Messiah (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Zu Black Messiah muss man nicht mehr viele Worte verlieren. Eine der Vorreiterbands des Folk Black Metal aus dem deutschsprachigen Raum. Wie nicht anders zu erwarten war die Band um Zagan, Donar und Konsorten wie  immer gut aufgelegt. Ihre Musik lädt aber auch zum Mitfeiern ein. Und die Bühnenperformance der sechs Musiker ebenso.

Was war mit Desolated los? Die Hardcore Punker von der Insel hatten entweder ihr Set einfach zu kurz geplant und waren zu früh fertig oder sie hatten keine Lust mehr. Jedenfalls verschwanden sie auffallend früh wieder von der Bühne. So richtig war der Funke während ihrer Show aber auch nicht übergesprungen.

The Unguided (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Dafür zog bei The Unguided die Stimmung wieder fühlbar an. Die Quasi-Nachfolgeband der vor sechs, sieben Jahren bei Sonic Syndicate ausgestiegenen Sjunnessons hört sich in gewisser Weise natürlich ähnlich an. Trotzdem hat sich The Unguided mit mittlerweile drei Alben einen eigenen Stil erspielt. Derzeit sind sie mit ihrer letzten Veröffentlichung von 2016, Lust And Loathing, auf Tour und machten auch auf dem Metal Frenzy Halt. Glück für die Besucher, denn die Show war definitiv einer der Höhepunkte des Festivals.

Regen, Regen, Regen (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Ungefähr hier hörte es übrigens auf, zu regnen. Die Schirme verschwanden nach und nach und unter den Regenkutten kamen die Metal-Kutten hervor. Zwischen den abziehenden Wolken schickte die Sonne noch einen letzten Gruß, ehe auch sie sich für diesen Tag verabschiedete. Aber alles in allem war es doch bloß ein wenig norddeutsche Luftfeuchte, oder? Vom Feiern und Genießen des Festivals hat das jedenfalls nach meiner Beobachtung niemanden abgehalten.

Mit den KrawallBrüdern wurde noch einmal ein Genre-Schlenker vollzogen hin zum Oi! Punk. Die Zuschauer, die mittlerweile den Raum vor der Bühne recht gut gefüllt hatten, gingen auch hier ordentlich mit. Die Band bot mit Pyroeinsatz allerdings auch einiges fürs Auge. Neben einigen Klassikern wurden viele Songs ihres aktuellen Albums mehr hass gespielt.

Tankard (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Einen ordentlichen Nackenbrecher hatte sich der Veranstalter zum Abschluss aufgehoben. Die deutschen Thrash-Urgesteine von Tankard und Destruction direkt hintereinander im Doppelpack. Das sieht man auch nicht mehr alle Tage. Bei Tankard war die Stimmung bald am Kochen. Gerre und seine Mitstreiter schienen selbst ziemlich überwältigt von der Begeisterung der Fans über ihren Auftritt. Spaß am Spielen hatten sie allemal und so verging die Show für alle wohl wie im Fluge. Tankard dürfte die meistgefeierte Band auf dem gesamten Festival gewesen sein.

Destruction (cc-by-sa/Stefan Bollmann)

Destruction danach hatten es jedoch nicht schwer. Das Publikum war weiterhin in guter Laune und so hatten Schmier und Mike leichtes Spiel und beendeten das Festival mit einer weiteren Breitseite Thrash Metal.

Fazit: Ein sehr professionell aufgezogenes Festival, bei dem das Line-up einfach stimmt. Kurze Wege und humane Preise für Bier und Speisen sind auch nicht zu verachten. Dem Regen haben auch alle mit stoischem Gleichmut getrotzt. Man fragt sich also, weshalb hier noch nicht mehr Leute hin finden, als die ca. 1000 bis 1500 Besucher. Vielleicht zieht das nur eine Woche später im gleichen Bundesland stattfindende Rockharz, das das gleiche musikalische Spektrum abdeckt, einige potentielle Besucher ab? Allerdings ist es als Veranstalter auch verdammt schwer, noch irgendein Wochenende zu finden, an dem sich nicht kurz davor oder danach ein Konkurrenzfestival breitgemacht hat. Die Festival-Landschaft ist umkämpft… Oder es dauert einfach einige Jahre, ehe sich der gewöhnliche Festivalgänger (homo celebrarus metallicus) traut, auch mal neue Festivals auszuprobieren? Das Metal Frenzy fand jedenfalls mittlerweile zum vierten Mal statt und es bleibt zu hoffen, dass es sich auch in Zukunft hält und mit wachsenden Besucherzahlen letztendlich etabliert.

Metal Frenzy offizielle Seite

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